TY MENE LUBYSH? (UA, SE 2023, R: Tonia Noyabrova): Aufwachsen im Zwischendrin

In Tonia Noyabrovas zartem Drama treffen sich zwei der Schwerpunktthemen der diesjährigen Berlinale: Der ukrainische Film und Coming-Of-Age. Das Ergebnis ist nicht nur wegen diesen Schlaglichtern sehenswert.

„Do you love me?“ laute die englische Übersetzung des Titels dieses ukrainischen Spielfilms, der bei der Berlinale in der Panorama-Sektion seine Premiere feierte. „Do you love me?“ Immer wieder stellt die 17-jährige Kira im Verlauf des Films diese Frage. Sie richtet sie an ihren Vater, ihren acht Jahre älteren Freund, ihre Mutter. Und jedes Mal bleibt sie unbeantwortet. Die Erwachsenen sind zu gestresst, müde und gereizt, um auf diese Störung im Alltag zu reagieren.

In der Theater-AG eckt Kira an, beobachtet das expressive Verhalten der anderen mit Skepsis. Insbesondere in einer Szene scheint sie außen vor. Man sieht Schüler und Schülerinnen sich umarmen, Gesten der Zuneigung austauschen, sich pantomimisch Geschenke übergeben. Sie sollen Liebe darstellen. Warum genau Kira in diesem Moment nur zuguckt und nicht teilnimmt, erfahren wir nicht.

Kira ist eine selbstbewusste junge Frau, die viel vom Leben erwartet und bereit ist, dass es richtig losgeht. Sie fühlt sich schon erwachsen, spricht vom baldigen Beginn ihrer Schauspielkarriere, schaut auf das Verhalten ihrer Mitschüler*innen hinab. Während das Land um sie herum sich unabhängig machen will, erlebt auch Kira ihr Coming-Of-Age.

Zu Beginn des Films feiern die Eltern ihren Hochzeitstag mit einem Fest in der gemeinsamen Wohnung. Es herrscht eine heitere Stimmung. Kira fügt sich ein in diese Gemeinschaft und versucht sich gleichzeitig abzusetzen. Sie gehört einer neuen Generation an, will nicht mehr nur den alten Geschichten lauschen. Ein paar Tage später wird sie von einer jungen Frau vor der Schule abgepasst. Die Frau kennt Kiras Vater und möchte mit ihr reden. Kira ist zunächst aufgeschlossen und begeistert sich für die Jeansjacke mit Glitzersteinen der Fremden und probiert diese direkt an. Als sie zusammen auf einer Bank sitzen, verhallt die Stimme der anderen, während diese spricht. Kiras Gesicht wird ausdruckslos. Sie streift die Jacke ab, steht auf und geht.

Die baldige Trennung der Eltern im Streit nimmt Kira sehr mit. Während die beiden sich anschreien, zieht sie sich mit Alkohol und Tabletten ins Bad zurück bis ein Sanitäter kommt. Kira ist zwar tough und optimistisch, doch muss dennoch im Laufe des Films lernen, dass das erwachsene Leben mehr Herausforderungen bereithält als gedacht. Und dass die Zukunft ungewiss ist.

TY MENE LUBYSH? ist zwar phasenweise ein bedrückender Film, vitalisiert jedoch in anderen Momenten. Vor allem begeistert durchgehend die junge Schauspielerin Karyna Khymchuk, die in der Rolle der Kira aufblüht und uns mit ihren ausdrucksvollen blauen Augen durch ihre Welt führt. Sie wechselt problemlos zwischen Verletzlichkeit und bestechendem Charme und zieht das Publikum gekonnt in ihren Bann.

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