Die Bären sind im Umlauf

SUR L’ADAMANT von Nicolas Philibert hat den Goldenen Bären der 73. Berlinale erhalten. Bei der feierlichen Preisverleihung am Samstagabend im Berlinale-Palast zeichnete die Internationale Jury den einzigen Dokumentarfilm des diesjährigen Wettbewerbs mit dem Hauptpreis aus.

Die Jury hat es wieder einmal geschafft zu überraschen. Der französische Film SUR L’ADAMANT über eine Pariser Tagesklinik für psychisch kranke Menschen hatte als vorletzter Film erst am Freitag seine Premiere. Mit dem späten Datum und als einziger Dokumentarfilm stand er nicht besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Nun hat er die völlige Aufmerksamkeit als Gewinner des Hauptpreises. In Interviews sprach der Regisseur Nicolas Philibert darüber, dass er die Protagonisten seiner Langzeitdokumentationen nicht überwachen, sondern ihnen aufrichtig menschlich begegnen, sie kennenlernen möchte.

Der Große Preis der Jury ging an den herausragenden neuen Film von Christian Petzold ROTER HIMMEL. Seine sechste Wettbewerbsteilnahme brachte ihm den höchsten Preis bisher ein. ROTER HIMMEL erzählt von vier jungen Menschen in einem Ferienhaus umgeben von Waldbränden. Während die Gefahr immer näher rückt, liegen die Nerven blank und Gefühle kochen hoch. Petzold übertrifft sich mit seinem komischsten Film erneut selbst und gewinnt dafür äußerst verdient den Silbernen Bären – Großer Preis der Jury.

Das Familiendrama MAL VIVER von Joao Canijo, in dem die Betreiberinnen eines Hotels sich über zwei Stunden aufs schlimmste beschimpfen, erhält den Preis der Jury. Philippe Garrel wurde für LE GRAND CHARIOT mit dem Silbernen Bären für die Beste Regie ausgezeichnet. Der Preis für das Beste Drehbuch ging an Angela Schanelec, die ihn leider nicht selbst annehmen konnte, für ihren Film MUSIC. Mit dem Silbernen Bären für eine Herausragende Künstlerische Leistung kann die Jury ein Element eines Films besonders hervorheben. Sie entschied sich für die Kameraarbeit Hélène Louvarts bei DISCO BOY von Giacomo Abbruzzese.

Ein Höhepunkt des Abends war die Vergabe der Schauspiel-Bären. Seit ein paar Jahren prämiert die Berlinale nicht mehr unbedingt eine Schauspielerin und einen Schauspieler, sondern genderneutral die Darstellung einer Haupt- und einer Nebenrolle. Zunächst kam die Östereicherin Thea Ehre auf die Bühne, die für ihre Nebenrolle in Christoph Hochhäuslers Film BIS ANS ENDE DER NACHT ausgezeichnet wird. Für die trans Frau war es die erste Kinorolle und damit ein großer Erfolg. Noch emotionaler wurde es kurz darauf, als die achtjährige Sofia Otero als jüngste Person jemals für ihre Hauptrolle in 20.000 ESPECIES DE ABEJAS von Estibaliz Urresola Solaguren ausgezeichnet wurde. Als sie zaghaft vor dem zu ihrer Größe heruntergefahrenen Mikrofon stand, fielen ihr immer mehr Menschen ein, denen sie danken wollte.

Die Internationale Jury um Kristen Stewart hat acht unterschiedliche Filme ausgezeichnet, die die Breite eines starken Wettbewerbsjahrgangs spiegeln. Am Ende gibt es immer noch andere Filme, die einen Preis verdient hätten wie Celine Songs liebevolles Drama PAST LIVES über Beziehungen, Bestimmungen und was passiert, wenn das Leben dazwischen kommt. Oder Rolf de Heers eigenwilliger Film THE SURVIVAL OF KINDNESS, der mit langen Landschaftstotalen und extremen Detailaufnahmen aufrüttelt, während sich seine Protagonistin, stark gespielt von Mwajemi Hussein, unermüdlich weiter bewegt in einer Welt, die keinen Platz für sie vorsieht. Oder der chinesische Animationsfilm ART COLLEGE 1994, der mit kräftigen Farben und schwarzem Humor von den Hoffnungen und Ideen einer jungen Generation von Künstler*innen erzählt. Dennoch kann man der Jury und ihrem Urteil kaum einen Vorwurf machen.

Mit der gestrigen Preisverleihung ist der offizielle Teil des Festivals feierlich zu Ende gegangen. Es solle ein Abend für alle Filmschaffenden sein, sagte Moderatorin Hadnet Tesfai. Ein letztes Mal zusammenkommen und den Erfolg der vergangenen zehn Tage feiern.

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