Seit ich denken kann, besuche ich jährlich so oft wie möglich die Berlinale. Ich kenne die verschiedenen Sektionen, Spielorte und alles, was man sonst wissen muss. Hier gebe ich Euch ein paar Tipps, wie ihr das überwältigende Programm navigieren und diese aufregenden zehn Tage glücklich meistern könnt.
Orientierung zwischen den verschiedenen Sektionen
Das Berlinale Programm ist wie die meisten Festivalprogramme in Sektionen organisiert. Jeder Film wurde spezifisch für seine Sektion kuratiert und man sollte eine Idee davon haben, wofür die Sektionen jeweils stehen und welche einem eher zusagen, um das Programm nach ihnen durchsehen zu können. Daher gibt es hier einen kurzen Überblick.
- Der Internationale Wettbewerb ist das Herzstück der Berlinale. Auf ihm liegt der öffentliche Fokus. In diesem Jahr konkurrieren 19 Filme um die Silbernen und den Goldenen Bären, die von der Internationalen Jury unter der Leitung von Kristen Stewart verliehen werden. Diese Filme sollen ein breites Spektrum an internationaler filmischer Exzellenz des neuen Filmjahrs abdecken. Jeder von ihnen feiert Premiere mit rotem Teppich im Berlinale Palast und wird viel in der Tagespresse besprochen werden. Wenn man über die Hauptpreise und wichtigsten Diskurse mitreden möchte, sollte man möglichst viele Filme dieser Sektion sehen.
- Encounters ist die jüngste Sektion des Festivals und wurde 2020 vom neuen Künstlerischen Leiter Carlo Chatrian als ein zweiter Wettbewerb etabliert. Encounters präsentiert eigenwillige Filme, die ästhetisch meist mutiger, allerdings auch weniger leicht zugänglich sind als die des klassischen Wettbewerbs.
- Im Berlinale Special laufen die populärsten und glamourösesten Filme. Hier lassen sich am ehesten große Hollywoodstars finden, die vor der Premiere eine Pressekonferenz geben und über den Roten Teppich am Potsdamer Platz spazieren. Außerdem bringt die Berlinale hier gerne wichtige Themenschwerpunkte unter, um darauf aufmerksam zu machen, wie in diesem Jahr etwa mit dem Dokumentarfilm SUPERPOWER. Die Filme dieser Sektion richten sich an das wahrscheinlich breiteste Publikum.
- Berlinale Series präsentiert jeweils ein paar Folgen neuer internationaler Serienproduktionen.
- Panorama möchte spannenden, unkonventionellen Strömungen des internationalen Gegenwartskinos auf die Spur gehen. Die Sektion präsentiert deutlich mehr Filme als die bisher genannten und tritt dabei in stärkeren Austausch und Diskurs mit seinem Publikum. Hier gibt es meist Gespräche mit den Filmschaffenden nach dem Screening und die Zuschauenden wählen die Gewinnerfilme der Sektion für einen Spielfilm- und einen Dokumentarfilm-Publikumspreis aus. Panorama ist ausdrücklich queer, feministisch und politisch.
- Das Forum wird seit den siebziger Jahren vom Arsenal – Institut für Film und Videokunst ausgerichtet und versammelt das experimentellste Programm. Bei den hier gezeigten Filmen geht es um eine Reflexion des Mediums und ästhetischen Eigensinn.
- Berlinale Shorts präsentiert mehrere Programme mit je vier bis fünf in Form und Inhalt äußerst vielfältigen Kurzfilmen. Das Programm und das moderierte Filmgespräch loten ein breites Feld der filmischen Möglichkeiten aus. Unter den Kurzfilmen werden von einer eigenen Jury ein Goldener und ein Silberner Bär vergeben.
- Die Qualität der Sektion Generation zeichnet die Berlinale unter den großen Filmfestivals besonders aus. Ihr Programm versammelt starke, inspirierende und vielfältige Film für ein junges Publikum. Die Lang- und Kurzfilme sind unterteilt in Filme für Kinder (KPlus) und für Jugendliche (14Plus) und lohnen sich auch für Erwachsene.
- In der Perspektive Deutsches Kino werden vielversprechende deutsche Nachwuchsfilme gezeigt. In diesem Jahr gibt es zudem ein neues Format, das die jungen Filmschaffenden der vertretenen Filme mit etablierten Profis der Deutschen Filmakademie zusammenbringt.
- Die drei Sektionen Retrospektive, Hommage und Classics präsentieren die Filmgeschichte auf der Berlinale. Die Retrospektive versammelt in diesem Jahr Coming-Of-Age-Filme, die Hommage zeigt Filme des Ehrenbär-Preisträgers Steven Spielberg und in den Classics finden wie immer neue Restaurationen ihre Premiere.
Wie navigiere ich mich durch das Programm?
Das vollständige Berlinale-Programm kann mit seinen an die 300 Filmen auf den ersten Blick etwas einschüchternd wirken, aber davon sollte man sich nicht abhalten lassen.
Zunächst legt man sich am besten einen Account bei der Berlinale an, wenn man noch keinen hat. So kann man jederzeit Vorstellungen markieren und diese sich in Tageszeitstrahlen ansehen. Der Account ist nicht nötig für den Ticketkauf, aber schafft größere Übersichtlichkeit und man hat die jeweiligen Ticketlinks schnell griffbereit.
Das Programm lässt sich nach verschiedenen Faktoren filtern. Je nach Verfügbarkeit und Breite des Interesse filtert man am besten nach Sektion oder Tag und Uhrzeit oder kombiniert beides. Nach meiner Erfahrung markiert man am besten erstmal eher mehr als möglich. Dann lässt sich mit der Zeit durch die ersten Ticketkäufe Struktur reinbringen und man hat noch weitere Optionen, wenn erste Prioritäten nicht klappen.
Die besten Spielorte
- Die bequemsten Stühle gibt es im Zoo Palast. Sie sind sehr gut gepolstert und man hat ausreichend Freiraum für die Beine. Es ist eine wohltuende Entspannung im Laufe eines langes Festivaltages auch mal hier vorbeizuschauen.
- Zu einem guten Berlinale-Woche gehört für mich auch dazu, mindestens einmal für das Premieren-Erlebnis in den Berlinale Palast zu gehen. Hier feiern alle Wettbewerbs- und Special-Filme ihre Premiere. Als Publikum geht man zunächst selbst über den langen roten Teppich vor dem Eingang und kann dann im Saal auf der Leinwand sehen, wie das Filmteam dort erscheint. Auf ihrem Weg signieren sie noch die großen Starportraits an den Wänden, die bis zum Ende des Festivals hängen bleiben und eine schöne Galerie des Jahrgangs bilden. Daher lohnt es sich auch zu den Wiederholungen hierher zu kommen.
- Die besten Spielorte für Wartezeiten zwischen Filmen sind meiner Erfahrung nach die Akademie der Künste und das Cubix am Alexanderplatz. Hier gibt es jeweils ausreichend Platz in den Foyers, um entspannt seine Zeit herumzukriegen. Wenn man während der Wartezeit, etwas essen gehen oder erleben möchte, sind natürlich alle zentral gelegenen Spielorte praktisch, um die herum es viele Läden gibt. Dazu zählen etwa die Kinos am Zoo (Zoo Palast, Delphi Filmpalast) am Alexanderplatz (Cubix, International) oder am Potsdamer Platz (Berlinale Palast, Kino Arsenal).
- Die große Unbekannte ist momentan noch die Verti Music Hall als großer neuer Spielort, der zudem eigentlich kein Kino ist. Wie bequem oder praktisch der Besuch dort ist, wird sich zeigen. Alle Tickets für die Verti Music Hall sind bereits seit Montag verfügbar.
Ticket-Kauf-Tipps
Der Ticketverkauf ist nur als Vorverkauf online über eventim möglich. Tickets werden jeweils drei Tage vorher um 10 Uhr freigeschaltet. Begehrte Filme können sehr schnell weg sein. Daher sollte man um 10 Uhr bereit sein. Folgendes würde ich daher aus eigener Erfahrung empfehlen:
- Mehrere Präferenzen vergeben: Priorisiert für Euch Eure markierten Filme und habt eine zweite Option parat, falls Euer Wunschfilm schon weg ist.
- Ticketkauf-Partnerschaft: Tut Euch mit jemandem zusammen. Wenn ihr beide versucht Tickets zu bekommen, sind Eure Chancen viel höher. Ihr könnt Euch so auch mal abwechseln, wenn nicht jeder zur Vorverkaufszeit kann.
- Praktische Voraussetzungen: Meldet Euch am besten schon ein paar Minuten vorher auf der Berlinale-Seite und bei eventim an und habt Eure Kreditkarte bereitliegen, damit es dann schneller gehen kann. Unter der Favoriten-Seite im Berlinale-Account erscheint nach Freischaltung ein Ticket-Button neben jeder verfügbaren Veranstaltung.
- Flexibel bleiben: Lasst Euch ruhig auf die zweite oder dritte Wahl! Sie kann oft überraschen und überzeugen! Seid nicht zu enttäuscht, wenn eine Präferenz nicht klappt! Meistens gibt es noch weitere Chancen, da jeder Film mehrere Screenings hat. Außerdem kommen viele der beliebten Filme auch in den nächsten Monaten in die deutschen Kinos, wo sie sich dann nachholen lassen.
Was darf an einem langen Festivaltag nicht in der Tasche fehlen?
- Wasserflasche
- Verpflegung: Wenn möglich, ein richtiges Essen für eine längere Mittag-/Abendessenspause. Allerdings ist die Zeit oft eng, sodass ich immer auch snackbare Sachen wie Müsliriegel, Apfelstücke, Knäckebrot oder Maiswaffeln empfehlen würde.
- Notizbuch und Stifte für Gedanken und Eindrücke
- Berlinale-Programmheft für den schnellen Überblick auch ohne Internetempfang im Kinosaal
- Geld, auch bar um beim größten Hunger überall schnell etwas finden, zu können
- etwas zu Lesen für die Pausen zwischen den Filmen
- Genug Akkuladung auf dem Handy für die mobilen Tickets und die Navigation zwischen den Spielorten oder Powerbank

Schreibe einen Kommentar