Was macht einen Eröffnungsfilm aus? An den ersten beiden Festivaltagen habe ich drei davon gesehen. Gestern war es der Eröffnungsfilm des ganzen Festivals SHE CAME TO ME von Rebecca Miller, der zur Sektion Berlinale Special gehört. Heute habe ich mittags eine Vorstellung des Films LA SIRÈNE von Sepideh Farsi gesehen, der ebenfalls bereits gestern die Sektion Panorama eröffnete. Freitagabend fand dann im Kino International die Eröffnung der Perspektive Deutsches Kino mit der Premiere von Steffi Niederzolls Dokumentarfilm SIEBEN WINTER IN TEHERAN statt.
Es stellt sich die Frage, was diese Filme verbinden könnte. Welche Stellung nehmen sie im Programm ein und welchen Wert hat ihre Hervorhebung? Gilt ein Eröffnungsfilm als Aushängeschild? Soll er stellvertretend fürs ganze Programm stehen und es nach außen tragen? Die Breite des Programms können wir heute noch nicht kennen und diese Fragen daher kaum beantworten. Aber wir können darauf schauen, wofür sie stehen könnten, welche Werte sie transportieren.
Panorama und die Perspektive stellen sich entsprechend als politische, engagierte Sektionen vor. Beide Filme spielen im Iran, blicken dabei zurück, aber lassen uns auch in der Gegenwart aufschauen. Sie unterscheiden sich stark. In beiden Fällen geht es um Sichtbarkeit, die Sektionen wollen unseren Blick auf oft oder zu lange Übersehenes lenken. Es ist allerdings sehr unterschiedlich, wohin genau die Aufmerksamkeit gelenkt wird. Panorama präsentiert einen Animationsfilm und stellt damit eine oft vernachlässigte Filmgattung aus, die in diesem Jahr auch zweifach im Wettbewerb vertreten ist. Der Film erzählt die Geschichte eines Jungen, der sich 1980 durch die Ölmetropole Abadan bewegt. Thematisch macht es ein Kapitel der iranischen Geschichte sichtbarer, die Themen, die die aktuelle Revolution beschäftigen kommen hingegen kaum vor. SIEBEN WINTER IN TEHERAN ist hingegen ein Dokumentarfilm, die in diesem Jahr die Hälfte der Filme in der Sektion ausmachen, der zwar über eine Zeitspanne von 2007 bis 2014 erzählt, aber höchste Aktualität hat. Es geht anhand eines Falles um die systemische Unterdrückung der Frauen und die verbrecherischen Strukturen, die dahinterstehen. Dieser mutige, fesselnde und ergreifende Film wurde vorhin bei seiner Premiere mit einem minutenlangen Applaus und Standing Ovations belohnt.
Beide Sektionen legen einen thematischen und Gattungsschwerpunkt mit ihrem Eröffnungsfilm, um Sichtbarkeit zu schaffen. Sie beziehen politisch Stellung. Mit dem Festivaleröffnungsfilm wurde eine andere Herangehensweise gewählt. SHE CAME TO ME ist ein fantasievoll inszeniertes Melodram, dass alte Mythen aufgreift und im heutigen Brooklyn neu ansiedelt. Er ist nicht besonders politisch, aber hat einen hohen Unterhaltungswert und macht Lust auf das Festival. Auch das sollte ein Eröffnungsfilm schaffen und dies gelingt Rebecca Millers Film vielleicht sogar am Besten. Es geht um die Kunst selbst, Inspiration und Schaffensprozesse – Themen, die die anwesenden Filmschaffenden und Festivalbesucher*innen ebenso beschäftigen. Damit ermöglicht er einen leichten, humorvollen Eintritt in die diesjährige Berlinale. Wie seit einigen Jahren wurde auch diesmal wieder ein Film aus der Sektion Berlinale Special für die Eröffnung ausgewählt. Damit wird ein Gleichgewicht im breiten Feld des Wettbewerbs gehalten, keiner der hier konkurrierenden Filme erhält vorab einen besonderen Aufmerksamkeitsschub.
Was macht nun also einen Eröffnungsfilm aus? Er sollte ein möglichst breites Publikum ansprechen und es irgendwie aufrütteln – sei es durch ein politisches Statement, Aufmerksamkeit für ein marginalisiertes Thema, einen besonderen Stil oder in dem er die Lust aufs Kino wiedererweckt. Das haben alle drei Filme geschafft. Außerdem verbindet sie, dass sie alle drei von Regisseurinnen sind.

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