Berlinale-Tagebuch 16.02.2023: Auftakt

Die 73. Berlinale ist offiziell eröffnet! Das wurde vom Leitungsduo aus Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek auf der Bühne des Berlinale-Palasts verkündet. Sie standen dort umgeben von den sieben Mitgliedern der Internationalen Jury und dem Moderationsduo, das uns bis hierhin souverän durch die Opening Ceremony geführt hat. Jo Schück, bekannt als Aspekte-Host, und die mittlerweile in dieser Rolle vertraute Hadnet Tesfai unterhielten uns gut, begegneten den Gästen mit Charme und meist intelligenten Fragen und sprachen dennoch taktvoll und direkt die politischen Krisen und globalen Katastrophen an.

Bereits draußen, bevor es los geht, dringen die großen Themen dieser Zeit in das Festival ein. Zwei Aktivist*innen haben sich auf den (wohlgemerkt recycelten) roten Teppich geklebt mit der Botschaft „Stoppt den fossilen Wahnsinn“ auf ihren T-Shirts.

All das erlebe ich an einem ungewöhnlichen Berlinale-Ort. Die Verti Music Hall, eine der großen Konzerthallen der Stadt, ist in diesem Jahr einer der Spielorte des Festivals. Die Ergänzung soll vor allem den Wegfall des Friedrichstadtpalasts kompensieren. In den letzten Tagen wurde aus dieser Location nun also ein riesiges Pop-Up-Kino. Die Moderatorin dankt daher zuallererst den Technikern, die diese Transformation ermöglicht haben. In zahlreichen Reihen in Parkett und Rang stehen einigermaßen bequeme gepolsterte Klappstühle mit ausreichend Abstand nach vorne und hinten, die nach dreieinhalb Stunden dennoch Rückenschmerzen verursachen. Hier wird nämlich die 3sat-Übertragung der Eröffnungsfeier auf der Leinwand und danach der Eröffnungsfilm SHE CAME TO ME von Rebecca Miller gezeigt. Nach der Programmansage auf der Bühne wirken manche im Publikum negativ überrascht. Sie scheinen den entsprechenden Hinweis im Programm, überlesen und lediglich mit dem Film gerechnet zu haben.

Die Veranstaltung im Premierensaal steht ganz im Zeichen der Solidarität mit den Menschen in der Ukraine und im Iran. Beides taucht in den Moderationen und allen Reden immer wieder auf. Als die Internationale Jury gegen Ende auf der Bühne steht, wird die iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani als einzige keine Frage zu ihrer Person selbst sondern zu den Menschen im Iran gestellt. Der ukrainische Botschafter in Berlin wird zu Beginn gesondert begrüßt, erhält größeren Saalapplaus, zu dem er aufstehen kann. Etwas später erscheint Sean Penn auf der Bühne zu einem der größten Momente des Abends. Er berichtet von den Dreharbeiten zu seinem Film SUPERPOWER, für den sie im Februar 2022 in Kiew waren und noch am Tage des Kriegsbeginns mit dem ukrainischen Präsidenten sprechen konnten. Eigentlich sollte es im Dokumentarfilm um die Entwicklung Wolodymyr Selenskyjs vom Komödienschauspieler zum Präsidenten gehen, doch der Film nahm in diesen Tagen eine ganz neue Richtung an. SUPERPOWER wird am heutigen Freitag in Berlin Premiere feiern. Der porträtierte Präsident sprach per Videoschalte zum vollen Saal über die Kraft von Filmen, der Mauern überwinden und einschlagen können, und dankte dem Festival für die Verbundenheit gegenüber der Ukraine.

Nach der Rede gab es in der Verti Music Hall einen von mehreren komischen Momenten, die aus dem skurrilen Setting resultierten. Sollen wir jetzt klatschen? Oder ist das seltsam? Hier findet das Event schließlich nicht statt. Von der Übertragung sah und hörte man ständig den klatschenden Saal. Da man selbst in einem großen Saal saß, fühlte man sich angesteckt, mitzuklatschen, obwohl dies auf der Bühne niemand hören könnte. Eine komische Schwebesituation in diesem Kino im Konzertsaal.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert