Rausch der Ekstase heißt der deutsche Ergänzungsuntertitel zu BABYLON und so fühlt sich der Kinobesuch auch an.
Über drei Stunden bewegen wir uns wie in einem Fiebertraum durch Hollywoods Feierlichkeiten und Tragödien in Damien Chazelles neuem Film. Dies wird besonders durch die feierliche Filmmusik von Justin Hurwitz getragen, während die Kamera von Linus Sandgren in einer unglaublichen Dynamik durch Partys und über Filmsets treibt und uns wie Gäste teilhaben lässt. Beide erhielten für ihre ausgezeichnete Arbeit an Chazelles letzter großen Hollywood-Hommage LA LA LAND einen Oscar und stechen auch hier besonders hervor. Justin Hurwitz wurde in diesem Jahr wieder nominiert.
Ganz am Anfang steht eine große Sauerei, die uns zunächst den Dreck vor Augen führt, den Assistenten und helfende Arbeiter im ausbeuterischen Hollywood-Business aushalten müssen, um eine extravagante Feier wie die folgende für die Stargäste zu ermöglichen. Details werden hier nicht genannt und müssen selbstständig auf der großen Leinwand überprüft werden. Während der großen Party lernen wir viele Figuren kennen, ihr Standing in der Branche und ihre Träume. Und nach wenigen Stunden Schlaf ist plötzlich der Glamour der Nacht verschwunden und die Arbeit am Set muss weitergehen – mit dabei Nelli LaRoy und Manny Torres, die durch glückliche Fügungen der letzten Nacht, plötzlich beide einen ersten Schritt wagen dürfen.
Diese ersten Szenen spielen 1926, wie wir durch eine Einblendung erfahren. Die Handlung streckt sich dann über einige Jahren, die einzeln chronologisch aufsteigend eingeblendet werden. Hier gelingt etwas sehr Besonderes. In den Momenten, da die Zahlen erscheinen, irritieren diese zunächst leicht, weil man keinen wichtigen Grund oder relevanten Marker erkennt, der den Jahreswechsel erzwingt. Doch durch das Fortschreiten der Zeit während der Handlung, was so eher nebenbei passiert, schafft der Film es, die Zeiterfahrung ungewöhnlich natürlich zu vermitteln. Somit braucht es auch keine großen Ankündigungen der einsetzenden Wirtschaftskrise, veränderter Moralvorstellungen oder des Inkrafttretens des Production Codes, die einige Filmkritiker*innen vermisst haben. Die Auswirkungen dieser hintergründigen Umbrüche schlagen sich auf das Leben der Protagonisten aus und lassen uns gesellschaftlichen Wandel miterleben.
Margot Robbie und Brad Pitt spielen zwei Schauspieler*innen, die sich zu Beginn an sehr unterschiedlichen Punkten ihrer Karriere befinden, den späteren Absturz aber teilen. Beide widmen sich den Facetten ihrer Rollen mit Bravour. Newcomer Diego Calva, dessen Figur, ein Sohn mexikanischer Einwanderer, als Partyaushilfe beginnt und zich zum Stage Manager hocharbeitet, reagiert hingegen leider in jeder Situation mit dem gleichen Gesichtsausdruck. Der Weg dieser drei Figuren durch die zweite Hälfte der Zwanziger- und die frühen Dreißiger-Jahre bestimmt die Erzählung. Sie springt zwischen ihnen umher und streift dabei auch andere Akteure.
Für eine Phase wird eine vierte Storyline um den Schwarzen Jazz-Musiker und aufsteigenden Filmstar Sidney Palmer aufgemacht. Diese missglückt leider, da zu wenig in sie investiert wird. Zwar hat Palmer in dieser Phase etwa gleichviel Leinwandzeit wie die anderen drei, jedoch erfahren wir nichts über seinen Hintergrund, seine persönlichen Motivationen oder ähnliches. Er bleibt eine schablonenhafte Figur und verschwindet nach einer Weile auch schnell wieder aus der Geschichte. Man hätte mehr in diese Figur stärker ausgestalten müssen oder sie angesichts der dreistündigen Laufzeit weglassen können. So wird man der einzigen relevanten Schwarzen Rolle im Film nicht gerecht.
Zum Ende der, mit Hommagen, Verweisen und Easter Eggs vollgepackten, Handlung gibt es einen Zeitsprung von ca. zwanzig Jahren, nach dem Manny nach langer Abwesenheit als Tourist nach Hollywood zurückkehrt. Hier holt der Film zu noch größerem Pathos aus und positioniert sich als Teil einer großen Kinogeschichte. Ein kleines Rad in etwas Großen, was bleibt, zu sein – das war Mannys Traum, der hier in Erfüllung geht. Man mag dieses Ende als etwas zu dick aufgetragen empfinden oder als stimmigen Abschluss eines opulenten Kunstwerks.
Um an BABYLON Gefallen zu finden, muss man sich voll dem Rausch dieses imposant durchinszenierten Werks hingeben und sich drei Stunden genussvoll im Kinosessel zurücklehnen. Dann ist es ganz leicht!

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