FOLLOWING (UK 1998): Gelungenes Debüt als Vorahnung

Obwohl FOLLOWING mit sehr geringem Budget und begrenzten Möglichkeiten realisiert wurde, ist in Christopher Nolans Debüt bereits vieles angelegt, was sich dann durch sein gesamtes Werk zieht.

Der Film porträtiert eine Künstlerfigur mit ungewöhnlichen Angewohnheiten. Der namenlose Protagonist (Jeremy Theobald) ist ein arbeitsloser, angehender Schriftsteller, der ziellos durch das Londoner Großstadtleben streift. Er beginnt, zufällig ausgewählten Personen zu folgen. Kontrolliert und bewusst, beobachtet er einzelne Menschen jeweils einen Tag lang, um daraus Inspiration für sein Schreiben zu ziehen. Der Mann bleibt uns als Zuschauern unbekannt, wir erfahren recht wenig über ihn. Er stellt einen junger Durchschnittsengländer mit kreativen Ambitionen dar, in dem sich Nolan vielleicht sogar selbst wiederfinden konnte.

Der Protagonist fungiert auch als Erzähler, da er in einer Rahmenhandlung auf einer Polizeistation seine Geschichte wiedergibt. Wir hören seine Stimme im Off, während wir ihn bei seinen Aktivitäten beobachten. Eines Tages entdeckt ihn ein Mann (Alex Haw), dem er folgt, und sucht das Gespräch. Der Mann stellt sich als Cobb vor und eröffnet, Einbrecher zu sein. Die beiden dringen von nun an gemeinsam in Privatwohnungen ein. Nicht um die Bewohner auszurauben, sondern um ihre Persönlichkeiten durch ihre Besitztümer kennenzulernen und kleine Veränderungen zu hinterlassen, die die Menschen irritieren sollen. Cobbs Angewohnheit verfolgt also ähnliche Ziele wie das Verhalten des Protagonisten. Kurz darauf trifft dieser in einer Bar eine Frau (Lucy Russel), in deren Wohnung sie eingebrochen waren, und verliebt sich in sie. Die Frau berichtet ihm von ihrem Ex-Freund, der sie mit komprimierenden Fotos erpressen würde. Er will diese für sie aus dem Tresor des Erpressers stehlen.

Die Figur des Trickbetrügers ist eine beliebte Type in Nolans Werk. Er greift sogar den Namen Cobb später erneut auf in der Figur, die Leonardo DiCaprio in INCEPTION spielt. Die Idee für die Rolle und den Plot an sich kam dem jungen Regisseur, nachdem bei ihm selbst eingebrochen wurde. Das Ereignis hatte vor allem psychologische Folgen für den Engländer, der sich Gedanken darüber machte, welche Schlüsse die Eindringlinge wohl anhand seiner persönlichen Gegenstände über ihn gezogen hatten.

Das Budget der Produktion betrug lediglich etwa 6000 US-Dollar. Die Dreharbeiten zogen sich über ein Jahr hin. Als Drehorte konnten die Häuser und Wohnungen von Freunden und Familie genutzt werden, die teilweise auch als Schauspieler und Statisten einsprangen. Der Polizist wurde von Christophers Onkel John Nolan gespielt, der ebenfalls in der Dark-Knight-Trilogie und DUNKIRK zum Einsatz kommen würde.

FOLLOWING zeichnet sich durch eine klassische Film Noir-Konstellation aus. Der Protagonist tritt als Anti-Held auf, der seine eigene Unschuld beteuert, während er aber in einem Netz aus Intrigen gefangen ist. Es gibt eine polizeiliche Ermittlung, aber diese steht nicht im Fokus, der Polizist ist eine Nebenfigur. Eine wichtige Rolle spielt die Femme Fatale, die nicht das ist, was der Protagonist von ihr dachte. Zudem erzählt der Film mit einer Rückblendenstruktur. Der Film fügt sich somit gut in den damals seit den 1980er Jahren anhaltenden Boom der Neo-Noir-Filme ein.  

Eine Besonderheit dieses Debütfilms ist die erfolgreiche filmische Umsetzung einer subjektiven Wahrnehmung des Erzählers. Von Beginn an begleitet uns seine Stimme im Voice-Over. Der Akt des Erzählens wird hier zu einer zentralen Tätigkeit, die der Protagonist über die gesamte Dauer des Films ausübt. Zudem können wir in zahlreichen POV-Shots das Geschehen aus seinen Augen sehen. Für diese Einstellungen ist die wackelige Handkamera sinnvoll gewählt, da sie wie er selbst unsicher in Bewegung bleibt. Die subjektive Wahrnehmung klammert Details aus, die erst später retrospektiv aufgelöst werden. Bestimmte Objekte, die gezielt im Bild platziert wurden, aber aus der Perspektive des Protagonisten keine besondere Relevanz hatten, gewinnen so später an Bedeutung. Überhaupt wird die subjektive Wahrnehmung und die gefühlte Kontrolle des Erzählers über die Geschichte zum Ende aufgebrochen, als sich Cobbs Macht voll entfaltet und er zudem die visuelle Ebene erobert.

Die eben geschilderten Mechanismen von der Konstruktion und Auflösung der subjektiven Wahrnehmung arbeiten auch zusammen für einen kontinuierlichen Spannungsaufbau. Nolan verwendet klassische Methoden des Suspense, wie sie durch Alfred Hitchcock etabliert wurden und im Film Noir zu prominentem Einsatz kamen.

In FOLLOWING deuten sich die Talente des später enorm erfolgreichen Regisseurs an. Insbesondere die falschen Fährten, auf die die Zuschauer zunächst geleitet werden und die es zu entschlüsseln gilt, werden zu einem charakteristischen Element seines Filmschaffens. Zudem gelingt es ihm bereits hier einen großen Spannungsaufbau und dessen Entladung im letzten Moment zu inszenieren. Während seine späteren Filme häufig eine extreme Größe in der Entfaltung der Geschichte annehmen, bleibt der Debütfilm noch in einer Nische des alltäglichen Londoner Großstadtlebens, erzählt aber von Figuren, die sich zu Größerem berufen fühlen. FOLLOWING sollte daher nicht übersehen werden, wenn das Werk Nolans besprochen wird.

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